Tourtipp Etappentour (mehrtägig) ländlich Rheinschiene
Etappentour (mehrtägig), hauptsächlich durch ländliches Gebiet. Überwiegend auf Radwegen uund verkehrsarmen Straßen. Im Kölner Stadtgebiet auch kurze Abschnitte mit hoher Autobelastung, die Konzentration erfordern.
anspruchsvoll 6–7 Std 665 Höhenmeter
Anspruchsvoll. Keine Steigungen doch lange Strecke.
Pilgerroute spirituell
Aufbrechen heißt suchen und neuorientieren und gehört zu den Wesensmerkmalen des Christentums. Schon die Heiligen Drei Könige machten sich auf einen offenen und ungewissen Weg. Von den verschiedenen spirituellen Strömungen des Mittelalters bis in die Gegenwart ist das Christentum getragen von Suchbewegungen. Seinen individuellen Ausdruck findet Aufbruch im Pilgern, im sich auf den Weg machen, um neu zu sich selbst zu kommen.
Die hier beschriebenen beiden Fahrradtouren sind solche Pilgerrouten des Aufbruchs und verorten das Motiv an den jeweiligen Zielen. Sie bilden die Radwallfahrt 2015 des Erzbistums Köln ab. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf dem 19. Jh. und der Erinnerung an den Sozialreformer und „Gesellenvater“ Adolph Kolping. Der erste Teil führt vom Quirinusmünster in Neuss über die Klöster Langwaden und Knechtsteden zum Hohen Dom nach Köln.
Neuss: Auf dem Münsterplatz in Neuss vor dem Quirinusmünster beginnt die zweiteilige Fahrradtour zu Orten kirchlichen Aufbruchs. Eine fast 100 km lange Entdeckungsreise liegt vor uns, die bekannte und unbekannte Aspekte kirchlicher Geschichte vorstellen wird.
Neuss
Neuss: Es gibt wohl keinen Ort, wo kirchlicher Aufbruch so zentral und ursprünglich ist, wie an den alten Gründungsstätten des frühen Christentums im Rheinland. Das Münster St. Quirinus in Neuss ist so eine Urstätte des christlichen Glaubens, an der sich die Ablösung antiker Glaubenswelten durch die einbrechende Dynamik eines vollkommen neuen religiösen Denkens manifestiert hat. Der christliche Aufbruch vollzieht sich hier wie an anderen frühchristlichen Stätten durch die fortführende Übernahme alter römischer Kultbezirke z.B. der Matronenverehrung und der Totenverehrung. So wird auch hier eine spätantike Totenmemorie zum Gründungsort einer christlichen Andachtsstätte, die spätestens seit dem 5. Jh. vermutet wird. Hierüber werden Kirchbauten errichtet, von denen noch ein Plattenmosaik aus dem 9. Jh. existiert. Die Krypta entsteht um 1050, über der ab 1209 die große dreischiffige spätromanische Basilika mit ihrem imponierenden Westwerk errichtet wird. Problematisch ist der Turm, der sich auf dem beweglichen Untergrund des Rheinsands trotz seiner 5m tiefen Fundamentierung bis heute bewegt. Aus der Barockzeit stammt die mächtige Kuppel über der Vierung mit einen Quirinus-Standbild.
Geistlich wird St. Quirinus durch das an ihm bereits um 950 gegründete Benediktinerinnenkloster getragen, das im 14. Jh. zu einem Stift umgewandelt wird. Zentrale Bedeutung hat die Verehrung des Hl. Quirinus, auf dessen Schutz die Neusser im späten Mittelalter auch ihren Sieg gegen Karl den Kühnen 1474/75 zurückführen. Der Betrachtung seiner Reliquien aber auch die Berührung mit dem Wasser des Quirinus-Brunnens werden seit dem Mittelalter mit Heilung bei bestimmten Krankheiten verbunden. Diese festen jahrhundertealten Strukturen werden mit der Säkularisation aufgebrochen, die Stiftsdamen fliehen nach Gerresheim, die Kirche wird zum Getreidelager, später dann zur Pfarrkirche.
Quirinusgymnasium Neuss: Nur wenige hundert Meter vom Quirinusmünster entfernt markiert das nächste Ziel kirchlichen Aufbruch in einer ganz anderen Epoche. Mitte des 19. Jh. befindet sich die Gesellschaft in einer fundamentalen Umbruchssituation und mit ihr auch die Kirche. Eine Kirche, die aus den Umbrüchen der Säkularisation auf dem Weg in die Moderne ist. Industrialisierung und soziale Verwerfungen prägen den Alltag der Menschen und es etabliert sich das Bürgertum. In diese Zeit vernetzt der Autodidakt und Visionär Adolph Kolping unterschiedliche Initiativen und begründet 1849 ein im deutschsprachigen Raum einmaliges kirchlich-soziales, pädagogisches und caritatives Unternehmen, den Katholischen Gesellenverein. Bereits 1852 entsteht auch in Neuss ein eigener Verein.
1907 beschließt der Neusser Kolpingverein den Bau eines neuen Vereinshauses. Als Architekt wird kein Geringer als Peter Behrens gewonnen, ein Multitalent – Architekt und Designer in einer Person. Er gilt als Wegbereiter der Bauhausästhetik und entwickelt zahlreiche wichtige Industriebauten, darunter die berühmten Bauten sowie das Logo der AEG oder auch die Gestaltung des Schriftzugs „Dem deutschen Volke“ am deutschen Reichstag in Berlin. Ihm zur Seite steht der ebenso künstlerisch revolutionäre Niederländer Jan Thorn Prikker für die Gestaltung der Fensterflächen der neuen Kapelle. Die Gestaltung des Neusser Gesellenhauses – eine schlichte Wohn- und Tagungsanlage mit einem kreuzgangähnlichen Innenhof - wurde als wegweisend aber auch als revolutionär verstanden. Der kircheninterne Widerstand war heftig und Pfarrer Josef Geller, damaliger Präses des Neusser Kolpingwerks verlor darüber seinen Posten und seine Pfarrei und wurde zwangsversetzt, die Fenster mussten entfernt werden.
Bereits 1915 wurde die Anlage zum Lazarett umgestaltet, in den 20er Jahren nur begrenzt genutzt und im zweiten Weltkrieg zerstört. In der Nachkriegszeit wiederaufgebaut, wird sie vom Land NRW übernommen und gehört seitdem zum Quirinus-Gymnasium.
Quirinusgymnasium Neuss: Militärische und wirtschaftliche Gründe waren es, die Napoleon veranlassten, die Idee einer Kanalverbindung zwischen Rhein und Maas, zwischen Neuss und Venlo zu realisieren. Allerdings wurden nur Teilabschnitte dieses Vorhaben ab 1808 umgesetzt. Der erste Abschnitt in Neuss gehört heute zum Stadgarten durch den auch unsere Tour führt und heute nicht nur gemütliches Radeln, sondern auch schöne blühende Natur bietet.
Neuss: Der kunstbegeisterte Josef Geller ist auch Pfarrer der zwischen 1909 und 1911 im Stil des Neorenaissance von Eduard Endler errichteten Kirche Hl. Dreikönige. Er engagiert hier wie schon im Gesellenhaus den kunstrevolutionären Jan Thron Prikker mit der Gestaltung der Kirchenfenster. Und ebenso fallen auch hier die Arbeiten des Künstlers dem Verdikt der Kirchenoberen zum Opfer und werden nicht installiert, der Pfarrer wird strafversetzt. Doch für Prikker ist es der künstlerische Durchbruch. 1919 wendet sich das Blatt, die 1911 gestalteten Fenster werden eingebaut. Sind diese noch figürlich gefasst, werden die in einem zweiten Zyklus gestalteten weiteren Fenster von 1927 in geometrisch-konstruktiven Formen abstrakt gestaltet. Aufbruch auch hier in eine neue Epoche der Kunst.
Das Patrozinium der Kirche weist auf eine andere, fundamentale Aufbruchssituation von Kirche hin, auf die Heiligen Drei Könige. Sie sind die ersten, die sich auf den Weg machten, sich selbst und das Etablierte hinter sich ließen, um etwas zu finden, das die Erfüllung bedeutete: Jesus. Mit Ihnen verlassen wir Neuss auf unserer weiteren Tour und treffen sie wieder an unserem Ziel an, dem Hohen Dom in Köln.
Neuss: Erftaufwärts, kurz vor der Museumsinsel Hombroich erreichen wir die Anlage des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Eppinghoven. Das Kloster wurde Anfang des 13. Jhs. errichtet und ab 1650 in ein adeliges Damenstift umgewandelt. Bereits Ende des 18. Jhs. flohen die Stitsdamen nach Gerresheim, so dass die Gebäude den französischen Revolutionstruppen bereits ab 1795 als Lazarett dienen konnten. Das offizielle Ende des Klosters war seine Aufhebung in der Säkularisation 1802. Heute ist der ansehnliche Komplex mit barocken und klassizistischen Elementen eine private Wohnanlage.
Neuss: In Neuss folgen wir ab seiner Mündung in den Rhein der Erft, der uns durch eine abwechselungsreiche Landschaft fast bis zum nächsten Ziel begleiten wird. Dabei kommen wir auch am Schloss Reuschenberg vorbei und können einen Abstecher zu der dahinter liegenden kleinen Wallfahrtskapelle St. Cornelius machen.
Langwaden: Das Kloster Langwaden hat eine wechselhafte Geschichte, die von Umbrüchen und Aufbrüchen gekennzeichnet ist. Obwohl seine Gründung über 800 Jahre zurückreicht, ist von der alten mittelalterlichen Substanz nichts mehr zu sehen. 1173 wird das wohl um 1145 durch den Grafen von Wevelingshoven errichtete Kloster erstmals erwähnt, das von Prämonstratenserinnen geführt wird. Ende des 17. Jh. wird der Gebäudekomplex komplett niedergelegt und ab 1693 als barocke Anlage neu errichet, von der heute nur noch einzelne Architekturelemente am und um das Kloster erhalten sind. Nach der Säkularisation wird die Anlage enteignet und über 150 Jahre profan genutzt: Das Kloster wird von dem französischen Diplomat Nicolas-Joseph Maison als neuen Besitzer in eine schlossähnliche Sommerresidenz umgewandelt, die später von der Familie von Nesselrode erworben wird. Es folgen unterschiedlichste weltliche Nutzungen bis die Anlage 1961 schließlich wieder von einem Orden übernommen wird. Zisterzienser aus dem Böhmischen Raum richten eine klösterliche Niederlassung mit einer im westlichen Flügel gelegenen neuen und schlichten Klosterkapelle ein. Nach vielen Umbauten wird das neue Kloster Langwaden 1970 von Kardinal Höfner geweiht und ist heute das letzte verbliebende Männerkloster im Erzbistum Köln. Ein Ort, der heute ein Hoffnungszeichen für eine neue spirituelle Kultur setzt.
Gebetszeiten:
6:00 Uhr: Laudes; 7:50 Uhr: Terz; 12:10 Uhr: Mittagshore; 17:30 Uhr: Vesper; 19:00 Uhr: Komplet und Vigilien
Langwaden: Vom Kloster Langwaden führt die Strecke über ausgedehnte Felder- und Flurflächen weiter nach Goch und von dort in ein Waldstück, das schon zu Knechtsteden gehört. Auf der Strecke begleiten uns am Horizont die Dampfschwaden der Kraftwerksschlote an Rande der Braunkohletagebaugebiete.
Knechtsteden: Im Gegensatz zum Kloster Langwaden ist die mittelalterliche und auch barocke Bausubstanz des Klosters Knechtsteden weitgehend erhalten geblieben. Verloren gegangen ist jedoch die Tradition eines kontemplativen Ordenslebens wie in Langwaden. Schon von weitem fasziniert der Anblick der drei Türme der alten Klosterkirche, die dem Hl. Andreas und der Hl. Magdalena geweiht ist. Sie gehört zu den schönsten Kirchen romanischer Baukunst in Rheinland. Ab 1138 errichten die Prämonstratenser in einen Zeitraum von über 50 Jahren Kloster und Kirche, wie sie bis heute erhalten ist. In der Barockzeit finden weitere Ausbauten vor allem im Klosterbereich statt, wie z.B. das Torhaus von 1712. Die Kirche spiegelt romanische Bauideale in Reinform. Danach soll der Bau ein Abbild der von Gott geschaffenen Ordnung und Proportioniertheit, Ausgewogenheit und Geborgenheit vermitteln. Die dreischiffige Gewölbebasilika besitzt eine sog. Doppelchoranlage, wie sie in großen romanischen Kirchen häufiger gebaut wurde, heute aber nur noch sehr selten erhalten ist.
Nach Aufhebung des Klosters in der Säkularisation und Plünderung folgen unruhige Zeiten im 19. Jh. Das Kloster wird Zuckerrübenfabrik, Herrensitz, Armenverwaltung und brennt 1869 ab. Doch mit dem Ende geschieht auch ein Neuanfang: 1895 übernimmt die Missionsgesellschaft vom Heiligen Geist (Spiritaner) die Anlage, die sie bis heute betreut. Knechtsteden bekommt damit einen Neuanfang als Einrichtung kirchlichen Aufbruchs in die Moderne.
Knechtsteden: Auf dem folgenden Streckenabschnitt schon im städtischen Bereich streifen wir auch die kleine Kirche St. Mikael der Äthiopisch-Orthodoxen Gemeinde in Köln, die dieses Gotteshaus 2009 von der evangelischen Gemeinde übernehmen konnte. Sie liegt in einer durch Gewerbegebiete und Logistikunternehmen geprägten Ecke von Köln-Longerich und ist ein wichtiger Bestandteil der christlichen Kirchen in Köln mit einem aktiven Gemeindeleben.
Knechtsteden: von Knechtsteden fahren wir durch den erholsamen Chorbusch und die dann folgenden Felderlandschaften auf Köln zu. Mehr und mehr weicht die Natur der Vorstadtbebauung, und wir kommen durch unterschiedlich geprägte Siedlungen und erste Stadtteile Kölns. An den Weihern im Grüngürtel verbringen die Kölner bei schönem Wetter gerne ihre Freizeit.
Köln: Ziel des ersten Teils dieser Tour ist der Hohe Dom zu Köln, der ganz in der Tradition des christlichen Aufbruchs steht. Er ist ebenso wie das Münster in Neuss eine der ersten christlichen Tauf- und Missionsstätten im Rheinland und ist mit seinen Reliquien Zeugnis dafür, dass Glaube die äußere wie innere Bewegung braucht. So ist der erste Bischof Kölns, der Hl. Maternus auf Weisung des Hl. Apostel Petrus über die Alpen nach Köln geschickt worden, um zu missionieren. Der dabei von ihm nach Köln überbrachte Stab des Petrus, dem Begründer der Kirche Jesu Christi, begründet den Ruf Kölns als zweites, nördliches Rom. Wegweiser des aufbrechenden Charakters des Christentums sind die Heiligen Drei Könige, um deren kostbaren Schrein der Kölner Dom wie ein zweiter Schrein gebaut wurde. Die Reliquien der Hl. Drei Könige machen Köln zu einer der großen Wallfahrtsstätten der Christenheit. Sie stehen nicht nur für den Anfang des Christentums, sondern auch für die jüngste Gegenwart, sind sie doch zum Leitbild des Weltjugendtages in Köln geworden, der vor zehn Jahren im Erzbistum Köln seinen Höhepunkt fand.
Der Dom ist das sakrale wie weltliche Zentrum, das auch von den Nicht-Gläubigen als ein über sich selbst hinausweisendes Bauwerk erlebt wird. Seine geplante Monumentalität sprengte schon damals alle Vorstellungskraft und ließ sich erst im Laufe der Jahrhunderte so realisieren, wie es seine Planer gedacht hatten. So betrug die Bauzeit dieser einzigartigen Kirche über 800 Jahre von 1248 bis 1888 und wird von keiner anderen Kirche übertroffen.
Vor dem hohen Dom endet der erster Teil dieser Radtour. Die Plätze rund um den Dom sind die lebendigsten Orte in Köln und runden die Eindrücke dieser Tour ab.
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